Wie entstand der Liberalismus in Deutschland?
Die liberalen Grundsätze und Forderungen basieren in Deutschland auf Forderungen des 19. Jahrhunderts, die Freiheiten des einzelnen Menschen in den Vordergrund zu stellen und jede Form des geistigen, sozialen, politischen oder staatlichen Zwangs abzulehnen. Als eine Hauptströmung der Moderne geht der L. auf zentrale Ideen der Aufklärung zurück.
Der politische Liberalismus
Der politische Liberalismus zielt auf die Förderung der Freiheit des Individuums (z. B. Glaubens-, Meinungsfreiheit) und auf die Beschränkung politischer Herrschaft (Vgl. John Locke): die Reichweite staatlicher Gewalt müsse durch die Freiheit des Individuums begrenzt werden. Freiheit heißt aber nicht Anarchie. Wo endet also diese Freiheit? Nach Locke dort, wo die Freiheit eines anderen Individuums beeinträchtigt wird. Aus der Sicht des Liberalismus wird daher keineswegs die Notwendigkeit des Staates bestritten.
Der wirtschaftliche Liberalismus
Der wirtschaftliche Liberalismus betrachtet seit den wegweisenden Arbeiten von Adam Smith (1776) das Privateigentum und den freien Wettbewerb als grundlegende Voraussetzungen für die Schaffung gesellschaftlichen Wohlstands. Tatsächlich führte die wirtschaftliche Liberalisierung zu dynamischen Industrialisierungsprozessen und der Entwicklung eines (privat-)kapitalistischen Wirtschaftssystems, in Folge aber auch zur Verelendung breiter Teile der Bevölkerung (Mitte/Ende des 19. Jhdt.) in der Industrialisierung.
Der Liberalismus im 19. Jahrhundert
Der Liberalismus war im 19. Jh. eine politische Bewegung des aufstrebenden Bürgertums, die allerdings in Deutschland unter den Einflüssen von Restauration und den Auswirkungen der Karlsbader Beschlüsse (Metternich) weitgehend machtlos blieb. In der Revolution 1848 scheiterte das Bürgertum in Deutschland bei dem Versuch, eine politische Führungsrolle zu übernehmen. Die industrielle Entwicklung in D fand auf der Basis eines obrigkeitsstaatlichen Staatsverständnisses statt.
Bismarck regierte Preußen in den Jahren von 1862 -1866 gegen eine liberale parlamentarische Mehrheit und ohne verfassungsgemäß bewilligtes Budget, was in Preußen zu einem Verfassungskonflikt führte. Dies stärkte zwar die Liberalen, führte aber im Ergebnis auch zu einer Spaltung. Die Liberalen waren diejenigen, die die Verfassungsrechte des Parlaments gegen Bismarck schützten, später (1866) sanktionierten jedoch Teile von ihnen (die Nationalliberalen) unter dem Eindruck von Bismarcks außenpolitischen Erfolgen (Einigungskriege) das Vorgehen der Regierung. Als Folge spaltete sich der Liberalismus in den Nationalliberalismus und einen Linksliberalismus (Freisinnige und Fortschrittspartei). Die Nationalliberalen arbeiteten mit Bismarck zusammen, die anderen opponierten dagegen. Die ersteren akzeptierten, dass Deutschland geeint war und die neue Reichsverfassung einige wichtige liberale Forderungen enthielt. Den anderen ging die Durchsetzung liberaler Ideen nicht weit genug.
Der Liberalismus im 20. Jahrhundert
In der Weimarer Republik zerfiel der politisch gespaltene deutsche Liberalismus weitgehend. Trotz und gerade wegen verfassungspolitischer Gewinne und der Erfüllung urliberaler Forderungen in der Weimarer Verfassung (1919) waren die Liberalen in einer Krise, parteipolitisch weniger stark präsent (DDP/DVP). Bis in die Gegenwart gelten dennoch Persönlichkeiten aus der Weimarer Zeit, wie Friedrich Naumann, Max Weber, die Außenminister Walther Rathenau, Gustav Stresemann oder der Vater der Weimarer Reichsverfassung Hugo Preuß als Protagonisten des politischen Liberalismus.
Mit der Übernahme der Macht durch die NSDAP und Hitler endete das Wirken liberaler Parteien. Sie wurden wie alle anderen Parteien verboten, sofern sie sich nicht selbst auflösten. Viele Liberale wurden politisch verfolgt oder sahen sich zur Emigration gezwungen. Mit der Gründung der FDP als liberaler Partei gewann der Liberalismus erst nach dem Zweiten Weltkrieg wieder an Bedeutung, was sich durch die fortgesetzte Regierungsbeteiligung belegen lässt. Von 1949 bis 1959 stellte die FDP mit Theodor Heuß den ersten Bundespräsidenten.
Wirtschaftspolitisch wies der Liberalismus nach dem Zweiten Weltkrieg dem Staat die Aufgabe zu, die notwendigen Rahmenbedingungen für einen freien Wettbewerb zu schaffen und durch regulierende Eingriffe in die wirtschaftlichen Prozesse dafür zu sorgen, dass der Wettbewerb aufrechterhalten bleibt.
Fazit: Der Liberalismus ist keine Weltanschauung, sondern stellt eher eine große »Denkfamilie« dar, die verschiedene Vorstellungen umfasst. Dies wird auch durch die Vielfalt liberaler Parteien in der EU deutlich.